Kleine "Nachtlektüre" für interessierte Leser/innen
Forenbeitrag von VolkerM 24-06-2004
zum Thema
Handaufzucht / sog. "Geschwisteraufzucht "/ Wertigkeit des "Lernens" von den Elternvögeln
Zunächst eine vereinfachte schematische Darstellung zum Verlustgefälle zwischen Handzucht und Naturbrut - PDF-Datei öffnen
Bei Entnahme der Nestlinge und Weiteraufzucht per Hand (in Geschwisteraufzucht) gilt es auch zu bedenken, dass Prägungen und Lernerfahrungen sowohl auf (durch) den Mensch, als auch (während der ersten Phase) auf (durch) die Elternvögel erfolgen. Dies kann einerseits zwar als Vorteil gegenüber der isolierten Handaufzucht (ab Schlupf) angesehen werden, sollte jedoch nicht über (mögliche), aus einer solchen "Doppelprägung" resultierende, Probleme hinwegtäuschen.
Speziell (jedoch nicht nur) bei einer späterhin beabsichtigten Verwendung eines solcherart "zwiespältig" geprägten Vogels zur Zucht (wobei es oftmals sowieso zu
Schwierigkeiten kommt) besteht die konkrete Gefahr, dass das betreffende Tier zwischen der
Erfüllung der Aufgaben und Anforderungen, welche die Brut und Aufzucht an den Vogel stellt
und der "Zuwendung" zum Mensch schwankt. Solche aus der Aufzuchtmethode resultierende
Konfliktsituationen sollten - zumindest für den Bereich der privaten Haltung und
"Hobbyzucht" mit vielfach zusätzlich gefördertem und gewünschtem Menschenbezug -
keinesfalls unterschätzt werden.
Lantermann geht in seiner Einschätzung noch einen Schritt weiter. Zitat: "Diese Ambivalenz
der Papageien, gewissermaßen in zwei Welten zu leben und Prägungs- und Lernprozesse
sowohl aus der Welt des Menschen als auch aus der des Papageien zu machen führt bei
vielen Vögeln zu einer Art "gespaltenem Dasein", zu tiefen Frustrationen und in der Folge
nicht selten zu Verhaltensauffälligkeiten ganz unterschiedlicher Art." Als Beispiel führt er das
"Federrupfen" an. (vgl. Lantermann, W. (2000): Graupapageien: Psittacus erithacus Linne
1758; artgerechte Haltung, Pflege und Zucht; Nachahmungsvermögen und andere
"Intelligenzleistungen"; Tier-Mensch-Beziehungen; psychische Erkrankungen, Verl.-Haus
Reutlingen, Oertel und Spörer, 2000, S. 49)
U.E. werden mögliche "Vorteile" einer Unterbrechung der (vogel)elterlichen
Prägungsvorgänge zu Gunsten einer durch den Mensch (Züchter/in) weitergeführten
artfremden Prägung überwiegend im Kontext einer vorgeblichen Verbesserung der Mensch-Tier-Beziehung gesehen, welche die real existierenden (Privat)Haltungsbedingungen
weitgehend ausblendet. Spätestens wenn der Halter eines Vogels aus Handaufzucht mit
"Doppelprägung" einen oder mehrere Vogel/Vögel hinzugesellen möchte, wird sich der durch
die Aufzuchtmethode (auch) "menschengeprägte" Vogel in einem permanenten Zwiespalt
zwischen Mensch und Artpartner/n befinden. Der Vogel hat keine "Wahlfreiheit" jeweils
situationsangemessen zwischen beiden ihm vorgegebenen "Lebensmodellen" zu variieren und
kann nicht problemfrei je nach Bedarf zwischen "menschenangepasstem" und
artangepasstem Verhalten alternieren. Bei nüchterner Betrachtung könnte man von einer in
frühesten Stadien der Verhaltensontogenese aufoktroyierten (dispositiven) Verhaltensstörung
reden, deren Symptome erst zeitversetzt nach außen sichtbar (offensichtlich) werden.
Notwendiger Weise artbezogen (an)geprägte Verhaltensweisen (bzw. die "Anwendung" dieser Verhaltensweisen) in einem endgerichteten (teleologischen) Sinn, wie Paarfindung, Balz und
jegliche Phasen der Fortpflanzung als "charakteristische Merkmale in der Welt der lebenden
Organismen" (vgl. Mayr, E. (1979): Evolution und die Vielfalt des Lebens, Springer-Verlag,
Berlin-Heidelberg, S. 207, 220) erfahren durch vorgenannte "Doppelprägung" einen Grad an
Behinderung, deren Reversibilität oft nicht (mehr) möglich ist.
Wir erlauben uns an dieser Stelle den Mitbegründer der sog. "Tiergartenbiologie", Hediger,
der sich stets um eine Mensch und Tier gleichermaßen gerecht werdende Sicht- und
Vorgehensweise bemüht hat, zu zitieren: "Die Vermenschlichung, die in der Anfangszeit der
Ethologie als die Todsünde Nr. 1 der Verhaltensforschung gegolten hat, wuchert heute wieder
in unerhörter Weise, und zwar - das ist das Schlimme daran - ohne dass dieser Unfug von
denen, die ihn betreiben, bemerkt, geschweige denn unterlassen würde." (Hediger, H.
(1980): Tiere verstehen - Erkenntnisse eines Tierpsychologen, Kindler Verlag, München, S.
91). Die Wechselwirkung zwischen der Vermenschlichung von Tieren und der Beschreibung
tierlicher (Anmerkung: Wir werden den Begriff "tierisch" in unserer Arbeit durch den Begriff
"tierlich" ersetzen) Verhaltensweisen durch "Überstülpen" oft unpassender Begrifflichkeiten
aus der Humanpsychologie befördert Unschärfen und Ungenauigkeiten in der Einschätzung
und Analyse von Ausdrucksformen tierlichen Verhaltens.
Zurück zur "Doppelprägung", deren Ursprung (und Durchführung) ebenso wie bei der
isolierten Handaufzucht überwiegend in der vom Mensch (Käufer/Halter) gewünschten
Angleichung an menschliche Erwartungen und Bedürfnisse bei gleichzeitiger Negierung bzw.
Marginalisierung aller (prinzipiell bekannten) daraus resultierenden Probleme zu sehen ist: Ist
es schon unter "normalen" Umständen nicht einfach, einen ausschließlich auf die jeweilige Art
geprägten Vogel aus Elternaufzucht, der einzeln und auf den Mensch sozialisiert gehalten
wurde, mit einem oder mehreren Artgenossen zu vergesellschaften, so gestaltet sich ein
solcher Versuch bei einem "doppelgeprägten" Vogel aus Handaufzucht ab einer bestimmten
Entwicklungsphase noch weitaus komplizierter und trifft auf (nicht selten unüberwindliche)
Schwierigkeiten für Tier und Mensch.
Es sind uns Fälle bekannt, in denen eine beabsichtigte
Vergesellschaftung bisher einzeln gehaltener ("doppelgeprägter") Vögel u.a. dazu geführt
hat, dass bei Präsenz der Bezugsperson seitens des "angestammten" Vogels gegenüber
dem/den hinzugesellten Vogel/Vögeln ein ausgesprochen aggressives Verhalten (bis hin zu
eskalierenden Verletzungskämpfen bei nicht hinreichend vorhandener Flucht- und
Rückzugsmöglichkeit) zu beobachten war, während sich bei Rückzug der Bezugsperson das
gegen den/die Artgenossen gerichtete Aggressionsverhalten abschwächte und schließlich
sogar eingestellt wurde. In anderen Fällen war zu beobachten, dass das aggressive Verhalten
sich entweder ausschließlich gegen die Bezugsperson, oder aber gegen den/die zur
Vergesellschaftung vorgesehenen Vogel/Vögel richtete.
Da einerseits die Reduzierung des
Menschenkontaktes als Notwendigkeit und Grundvoraussetzung einer erstrebenswerten
Vergesellschaftung solcherart "doppelgeprägter" Vögel unabdingbar scheint, andererseits
jedoch gerade die vielfach praktizierte Haltung unter "Wohnungsbedingungen" eher selten
eine (zudem oftmals auch von Halterseite nicht gewünschte) strikte Reduzierung des
Menschenkontaktes ermöglicht, ist der durch die Zuchtmethode angestrebte Erfolg
(zumindest bei vorerwähnter Zielgruppe) in vielen Fällen nicht zu erreichen.
In diesen Zusammenhängen möchten wir im Rückgriff auf die bereits angesprochene - einer
ebenso nüchternen wie notwendigen Analyse im Wege stehende - Vermenschlichung
tierlichen Verhaltens etwas intensiver eingehen. Gegen die Bezugsperson gerichtete Flug- und
Beißattacken des "doppelgeprägten" Vogels im Rahmen eines
Vergesellschaftungsversuches werden häufig mit dem der Beschreibung menschlichen
Verhaltens entliehenen Wort "Eifersucht" bedacht. So naheliegend der Gebrauch dieser
Begrifflichkeit auf den ersten Blick scheinen mag, so wenig kann sie zum Verständnis der
Ursachen und Zusammenhänge beitragen. Wir können die von Niko Tinbergen (einem der
Begründer der modernen "Ethologie", welche als Nachfolgerin der "Tierpsychologie" gelten
darf) vertretene Ansicht, dass man von Hunger, Wut, Eifersucht, Angst etc. beim Tier nicht
sprechen könne, weil jeder diese Phänomene nur an sich selbst erfahren könne (vgl.
Tinbergen, N. (1952): Instinktlehre, Paul Parey Verlag, Berlin-Hamburg, S. 5) zwar in ihrer
Absolutheit nicht teilen, jedoch leistet sie einen wertvollen Beitrag zur objektiveren
Einordnung tierlichen Verhaltens, welches u.E. von nicht wenigen Vertretern der
"Tierpsychologie" (vgl. u.a. Meyer-Holzapfel, M. (1964): Tierpsychologie,
Verhaltensforschung und Psychiatrie, Akt. Fragen Psychiat. Neurol. 1, 253-294) allzu
subjektiv und unter menschlichen Aspekten gewichtet wird/wurde.
Die von der attackierten Bezugsperson unterstellte "Eifersucht" ist letztlich nichts anderes, als
eine von mehreren möglichen agonistischen Verhaltensweisen, die sich situativ gegen die
artfremde Bezugsperson richtet, die (in anderen Fällen kann es der hinzugesellte Artpartner
sein) als Konkurrent, Rivale und Eindringling - und dies unter den erschwerten Bedingungen
einer Neugruppierung - angesehen wird.
Der vom Mensch (und in Bezug auf Menschen) verwendete Begriff "Eifersucht" impliziert das
Wissen oder die begründete (oder unbegründete) Ahnung darüber/davon, dass eine dritte
(meist gegengeschlechtliche) Person die Partnerin / den Partner für sich zu vereinnahmen
trachtet und dadurch eine - in der Regel festere - (Paar-)Bindung gefährdet werden könnte.
Wird einem Vogel als mögliche Motivation aggressiven Verhaltens "Eifersucht" unterstellt, wie
z.B. bei Rosemary Low nachzulesen (Zitat: "Viele Menschen bezweifeln, dass "ein einfacher
Vogel" zu dieser Emotion fähig ist. Für mich besteht jedoch kein Zweifel." / vgl. Low, R.
(2001): Papageien sind einfach anders - Eigenheiten verstehen und Verhaltensprobleme
lösen, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, S. 62), müsste folglich davon ausgegangen werden,
dass der Vogel über intellektuell reflektierende, kausale Verkettungen, Möglichkeiten und (auf
die Zukunft projizierte) Folgen abschätzende Fähigkeiten verfügt. Dass selbst hoch
entwickelte Papageienvögel nicht über diese Fähigkeiten verfügen, bedarf eigentlich keiner
weiteren Erörterung.
Die oft bedingungslose Hinwendung handaufgezogener Einzelvögel zum Mensch als "Quasi-
Artgenosse" und Ersatzobjekt mit allen (für den Vogel nicht erkennbar) ins Leere zielenden
Handlungen insbesondere aus dem Bereich der sexuell motivierten Verhaltensweisen (z.B.
Kopulation am menschlichen Finger) zeigt deutlich das "Nicht-Begreifen" und die (im
Wortsinn) "Unsinnigkeit" solchen Verhaltens, welches verständlicher Weise ja nicht zu einem
Reproduktionserfolg führen kann, sowie die Begrenzung der Möglichkeiten des Vogels.
Auf
menschliches Verhalten angewendete Begrifflichkeiten besitzen durchaus im Bereich der
anekdotischen Beschreibung tierlichen Verhaltens einen gewissen Reiz und
Unterhaltungswert, sind jedoch zur Verhaltensanalyse u.E. wenig tauglich.
Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, Verhaltensweisen, die bei Vögeln auf
Grund einer völlig anderen Gehirnphysiologie als bei uns Menschen - und (so banal das
klingen mag) einer völlig anderen (Er)Lebenswelt - unter völlig anderen Prämissen mit völlig
anderer Intention zustande kommen, mit menschlichen Verhaltensmustern erklären zu
wollen.
Wesentlich scheint uns auch der Hinweis darauf, dass nach eigenen Beobachtungen
(und uns vorliegenden Berichten) bei handaufgezogenen Vögeln in deutlich schwächerer
Ausprägung als bei elternaufgezogenen Vögeln sog. "moralanaloge" Verhaltensmechanismen
im Sinne der Definition von Lorenz und Rensch (Lorenz, K. (1963): Das sogenannte Böse,
Borotha - Schocher, Wien ; Rensch, B. (1979): Gesetzlichkeit, psychophysischer
Zusammenhang, Willensfreiheit und Ethik, Duncker Hublat, Berlin, S. 141 ff.) vorhanden
sind, was sich unter anderem in häufigem Fehlen der ansonsten in entsprechenden
Konfliktsituationen vorhandenen "Beißhemmung" gegenüber ihre Unterlegenheit durch
jeweils arttypische Beschwichtigungs- und Demutsgesten anzeigenden Vögeln bemerkbar
macht.
Neben den unzweifelhaft vorhandenen starren, angeborenen Verhaltenskomponenten
(angeborene auslösende Mechanismen, endogene Reizerzeugungsvorgänge) spielt für die
Entwicklung der Nestlinge und Jungvögel, und dafür welche "Richtung" sie nimmt, auch das
"individuelle Lernen" eine nicht unerhebliche Rolle. Ohne die Bedeutung und Funktion
angeborener Aktions- und Reaktionsnormen abzuwerten kann gesagt werden, dass im
Gegensatz zu niedrig entwickelten Tieren, bei denen sich diesbezügliche Vorgänge auf einer
Reiz-Reaktionsebene abspielen, Psittaciden zu einer differenzierten Verarbeitung von
Außenreizen fähig sind.
Sprechen wir dem "Lernen" eine Bedeutung für die Verhaltensentwicklung von Nestlingen und
Jungvögeln zu - was abgesehen von der anteilsmäßigen Quantifizierung unstrittig sein dürfte
- ist die hieraus abzuleitende Folgerung zwingend, dass der Entzug oder Ersatz von
Lernerfahrungen eine Auswirkung (Effekt) auf das Verhalten bzw. die Verhaltensentwicklung
haben wird.
"Lernen" setzt aber voraus, dass "Lerninhalte" (vermenschlicht ausgedrückt: "Wissen") und
Vermittler des "Wissens" vorhanden sind.
Man möge den Rückgriff auf menschliche
Kategorien nachsehen; aber wäre es denkbar, dass ein Säugling oder Kleinkind gleichaltrigen
Säuglingen oder Kleinkindern Inhalte vermitteln kann, über deren bloße Existenz noch nicht
die Spur einer Ahnung im Hirn manifest ist? Also wird ein Teil der notwendiger Weise an
Nestlinge und Jungvögel zu vermittelnden Inhalte, die sich naturgemäß in einem dispositven
Rahmen bewegen, nur von Altvögeln, die über das entsprechende (erworbene, erlernte)
"Wissen" verfügen, zu transferieren sein.
Wie hoch die Wertigkeit des "Lernens" einzuschätzen ist, wird eindrucksvoll durch
Freilandbeobachtungen von Rowley & Chapman an in Australien gebietsweise sympatrisch
vorkommenden Inka- und Rosakakadus belegt. Da beide Arten gleichzeitig mit dem
Brutgeschäft beginnen und die ersten Eier des Geleges oft nicht bewacht werden, ist es keine
Seltenheit, dass von je einem Paar Eier in der gleichen Bruthöhle abgelegt werden. Bei
Auseinandersetzungen um die Nisthöhlen in den frühen Phasen der Brutsaison unterliegt in
der Regel der wesentlich kleinere Rosakakadu. In der Folge werden die Mischgelege von den
Inkakakadus bebrütet. Rowley & Chapman dokumentierten über eine Zeitspanne von vier
Jahren die Entwicklung der Jungvögel aus zwei Inkakakadunestern mit jeweils einem
Rosakakadu. Das Ergebnis: Obwohl die jungen Rosakakadus nach dem Flüggewerden
Kontakte zu Artgenossen hatten, waren sie offensichtlich irreversibel auf ihre Adoptiveltern,
die Inkakakadus, geprägt. Auch nach Eintritt der Geschlechtsreife blieb dieses "artfremde"
Verhalten konstant, was in letzter Konsequenz eine soziale und sexuelle Prägung auf die Art
der Zieheltern belegt. Die Rosakakadus flogen gemeinsam mit den Inkakakadus,
kommunizierten in der "Sprache" der Inkakakadus, nutzten die Nahrungsquellen der
Zieheltern und zeigten weitere für Inkakakadus typische Verhaltensweisen. Die Ergebnisse
der Freilandstudie bieten in diesem Fall eine hervorragende Möglichkeit der "Trennung" des
"genetisch festgelegten" Verhaltens von den "lernabhängigen" Verhaltensanteilen.
Die von
Inkakakadus aufgezogenen und von deren Verhalten geprägten Rosakakadus zeigten konkret
folgende Verhaltensweisen:
Daraus kann folgende Listung zwischen bei Rosakakadus angeborenem und erlerntem
Verhalten abgeleitet werden:
Angeboren:
Bettelrufe und
Alarmrufe
Erlernt: Kontaktrufe,
Flugbewegungen und
Nahrung
vorstehende Darstellung in Anlehnung an "Ethologie-Vorlesung SS 2003 / PD Dr. Markus
Fendt / Universität Tübingen
(vgl. Rowley , J., & Chapman, G. (1986): Cross-fostering, imprinting and learning in two
sympatric species of cockatoo, Behaviour 96: 1-16).
Sicher wird eine gemeinsame Aufzucht von Nestgeschwistern im Gegensatz zu einer isolierten
Handaufzucht bei stimmigen Rahmenbedingungen und Reduzierung des Menschenkontaktes
die Sozialisierung auf die jeweilige Art erleichtern. Eben so sicher kann auch die Interaktion
von Nestlingen und Jungvögeln untereinander das "Lernen" befördern.
Aber eine Unterbrechung des Informationstransfers von Eltern- zu Nestlingen und/oder
Jungvögeln führt zwangsläufig zu "Informationsdefiziten".
Hinzu kommt, dass eine Veränderung der Umgebungsstrukturen durch Verbringen der
Nestlinge in ein neues Umgebungsmedium zu akustischen, taktilen und visuellen Änderungen
der ebenfalls nicht zu vernachlässigenden "Umfeldinformationen" führt, über deren mögliche
Auswirkungen noch sehr wenig bekannt ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die
Außenreize selbst, sondern auch deren Submodalitäten, Zeitstrukturen und Intensitäten in
einem neuen Umgebungsmedium Änderungen unterworfen sind.
Daher ist auch diese Methode in letzter Konsequenz nur als das kleinere Übel anzusehen,
zumal in der Regel keine zwingende Notwendigkeit zur Durchführung von Handaufzuchten
besteht.
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