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Ich habe Handaufzucht gemacht - warum?
Forenbericht von Corinna67 vom 24-06-2004

Ich selbst habe bei Graupapageien HZ gemacht, wenn ich es aus medizinischen Gründen als notwendig angesehen habe. Hierzu gehörten für mich Gründe wie:

Rachitische Veränderungen, die im Babyalter so behoben werden können, dass der Vogel auf lange Zeit hin gesehen, ein lebenswertes Leben führen kann und man später diese Schäden mit bloßem Auge nicht mehr erkennt (dies erforderte teilweise sehr hohe TA Kosten, die den Preis eines handaufgezogenen Grauen um einiges überstiegen haben).

Der Tod eines Elternteils während der Aufzucht oder auch das Nichtfüttern von Babys, welche ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr versorgt wurden, in meinem Fall, so nehme ich an, weil die Henne eine HZ ist!?

Mir ging es grundsätzlich darum, das Leben, was mir persönlich als lebenswert erschien, zu erhalten, (auch wenn einige böse Zungen behaupten, dass bei mir mit voller Absicht HZ betrieben worden sei, Gottseidank weiß ich es besser!), bzw. in die Bahn zu lenken, dass der Vogel die Möglichkeit bekommt, nicht als dauerhaft geschädigter Krüppel ein Dasein führen zu müssen.

Außerdem habe ich es persönlich nicht übers Herz gebracht ein Küken sterben zu lassen, weil ein Elternteil verstorben ist und das andere es alleine nicht geschafft hat. Ein Baby hatte in diesem Fall mit seinem Leben dafür bezahlen müssen, da ich geglaubt habe, dass es das eine Elternteil alleine schaffen würde. Nach dessen Tod habe ich das zweite Baby, welches zu dieser Zeit ca. 7 Wochen alt war, herausgenommen und von Hand aufgezogen.

Man kann natürlich sagen, dass es Schicksal gewesen wäre, aber man möge mir bitte zugestehen, dass ich dieser Art des Sterbens nicht zuschauen wollte und konnte.

Mittlerweile konnte ich ein Zuchtpaar Graupapagageien erfolgreich und ohne Zwang davon abhalten zu brüten, bei dem anderen Paar, was vor kurzem noch Nachwuchs hatte, verstarb bei der letzten Brut ein Baby (2er Gelege), welches ich zusammen mit seinem Geschwisterchen entnahm, weil es plötzlich auffällig war (5 Wochen alt), an einem massiven Herzfehler (lt. Sektionsergebnis), bei einer der vorherigen Bruten verstarb ebenfalls eine Naturbrut dieses Paares, die bereits ausgeflogen war. Aus organisatorischen Gründen war damals keine Sektion möglich, aber die Art des Todes und die Auffälligkeit kurz vor dem Tod deuteten auf einen Herzfehler hin. Das zweite Baby der letzten Brut ist, soweit es die bisherigen Untersuchungen zeigen, gesund und mußte leider alleine, ohne sein Geschwisterchen aufwachsen. Es ist jetzt fast futterfest und es wird meine letzte HZ aus der Not heraus sein, da sich hier vermutlich ein Herzfehler vererbt, der nicht bei jeder Brut und bei jedem Baby auftritt, für mich aber Grund genug die Zucht komplett einzustellen und ich hoffe, dass das Paar mir das nicht übelnimmt und hierdurch in Zukunft Auffälligkeiten zeigt.

Ich habe nicht aus Profitgier gezüchtet oder HZ gemacht, sondern einfach nur, um den Vögeln das zu ermöglichen, was sie auch in der Natur tun, nämlich sich fortzupflanzen, wenn sie es möchten. Dass mir nichts an dem materiellen Aspekt gelegen hat, zeigt u.a., dass ich nur 2 dieser Vogelkinder hergegeben habe, alle anderen leben hier bei uns paar- oder gruppenweise. Natürlich kann man mir das vorhalten, dass ich sie nicht vermittelt habe, aber ich hatte eben zu viel Angst um deren Zukunft gehabt, gerade bei denen, die eine Intensivpflege benötigten, um jetzt so, wie ein von Anfang an gesunder Papagei leben zu können. Aber dieser Punkt gehört sowieso nun der Vergangenheit an und ist nicht mehr wichtig, jedenfalls für mich.

Ich bin stolz auf die kleinen Kerle, auch auf die Handaufgezogenen und auch auf mich, denn ich habe immer versucht keine menschenfixierten Papageien zu erschaffen, was nicht leicht ist, wenn man kleine Pflegefälle großzieht, da die anfangs doch noch mehr in der menschlichen Abhängigkeit stehen, als solche, die einfach nur so handaufgezogen werden und denen nichts fehlt. Ich freue mich, dass sie jetzt hier in Gruppen leben können und sich nicht rupfen, wenn Mensch weniger Zeit hat oder mal nicht da ist und das sie überhaupt wenig bis gar nichts von einer typischen HZ haben.

Es geht, man kann die anfängliche Abhängigkeit, in die die Vögel gebracht werden wieder zu einem großen Teil rückläufig machen und die Vögel sind auch in der Lage, wenn man sie läßt, Dinge nachträglich zu lernen, die sie bei einer Aufzucht von den eigenen Eltern bereits im Nest mitbekommen hätten. Alles nicht, das ist wohl war, aber so, dass sie ein Leben als Papagei und nicht als halber Mensch führen können.

Hört sich erstmal positiv an, ein Pro für die HZ, ist es aber nicht, denn man sollte einfach nicht bewußt und ohne das schwerwiegende Gründe vorliegen, in die Natur eingreifen. Das Ziel einer herkömmlichen HZ ist es nämlich nicht ein Leben zu erhalten oder zu retten, sondern ein Leben zu schaffen, was von anfang an auf den Menschen geprägt ist und welches dann, durch die zukünftigen Halter weiter darauf ausgerichtet wird, ohne dass vielen Haltern überhaupt bewußt ist, was sie dort tut, weil nämlich noch falsche Informationen seitens der Züchter und des Handels weitervermittelt werden. Nicht selten kennen die sich selbst nicht richtig aus!

Genau diese Aspekte sind mit dafür verantwortlich, dass so viele Vögel "auf der Straße sitzen", denn eines Tages treten Fehlverhalten, wie z.B. Bissigkeit, die von Natur aus normalerweise den Papageien nicht mitgegeben ist, Federrupfen, organisch kranke Vögel, die nicht überlebensfähig wären (gerade bei Auzuchten ab Ei, da hier fast alles groß wird, was normalerweise nicht lebensfähig ist) und noch viele Dinge mehr, deren Aufzählung ich mir erspare, auf.

Welcher gesunde Menschenverstand kann so etwas gutheißen??

Wie kann man absichtlich Vögel erschaffen, die, da auf den Menschen fixiert, mehr Zeit in der Pflege und Zuwendung benötigen, um nicht am Rad zu drehen, als menschenunabhängigere (z.B. angezähmte Naturbruten), aber wo oftmals (ich sage nicht IMMER), der Mensch nicht mal Zeit hat, die nötige Zeit in die Zähmung zu investieren und sich den Vogel so zugänglich macht, dass er angstfrei in der Umgebung des Menschen leben kann (wenn gewünscht)??? Da beißt sich doch die Katz in den Schwanz! Und wer letztendlich die Leidtragenden sind, sollte auch klar sein.

Mir persönlich geht es schon gar nicht mehr darum, dass eine Geschwister HZ mehr Vorteile in sich birgt als eine Einzel HZ, sondern einfach darum, welchen Zweck die allermeisten HZ erfüllen sollen und das sie deshalb gemacht werden und nicht um ein Vogelbaby vor dem Tod zu bewahren.

Was mich besonders traurig stimmt, ist, dass aber die ganze Problematik der "Papageienschwemme", bzw. des übersättigten Marktes nicht ausschließlich auf die HZ geschoben werden kann, sondern hier ganz andere Faktoren eine Rolle spielen, die genauso beseitigt werden müßten.

Das Bild von einem Papagei, überhaupt von Exoten, wird viel zu häufig falsch dargestellt und das dies so ist, daran sind Züchter und Handel nicht unbeteiligt. Es ärgert mich einfach nur noch, dass Zuchtstationen wie der LP, de Dios, Südafrika, nur um ein paar größere zu nennen, noch stolz darauf sind, wenn sich die jährliche Anzahl der für den Handel nachgezogenen Papageien noch erhöht, während im "wahren Leben" immer mehr Vögel abgeschoben werden, weil man sich, nicht selten mangels fehlender oder falscher Informationen zu viel zugemutet hat und ein Papagei doch nicht das richtige Haustier ist, bzw. probiert man gerne aus, ob beim nächsten, den man sich anschafft, alles anders wird!

Die Thematik Wildfänge habe ich ganz rausgelassen, das ist noch mal ne andere Geschichte, oft eine Geschichte von Vögeln, die, wenn sie sich nicht zähmen lassen, ihr Leben lang hin und her wandern, bis sich doch vielleicht ein Mensch ihrer erbarmt, dem es egal ist ob sie zahm sind oder nicht, sondern, der ihnen einfach das bißchen Leben, was ihnen geblieben ist, so erträglich wie möglich zu machen will.

Wenn ich meine aufgenommenen Abgabevögel so betrachte, auch die, die nicht mehr unter uns weilen und die, die hier dauerhaft weiterversorgt werden und wenn ich die vielen Geschichten dazu durch meinen Kopf gehen lasse, dann wird's mir einfach nur noch schlecht!

Aber ich sehe auch, dass die Hauptproblematik nicht NUR die handaufgezogenen Vögel sind, sondern, dass es gleichermaßen Naturbruten und Wildfänge betrifft, mit denen mancher Mensch umgeht wie mit dem letzten Dreck und hier sollte man m.M. nach beginnen, das Blatt aufzurollen und hier muss dringend was unternommen werden, von höherer Stelle aus, aber hauptsächlich ein Umdenken der Menschen.

Ob wir's noch erleben werden? Ich glaub's nicht, denn davon ist viel zu viel abhängig, Handel, Wirtschaft, der Rubel muss rollen, erst recht in Zeiten, wo man in punkto Wirtschaftswachstum nicht mehr viel zu erwarten hat!

Denke ich an Zuchtprojekte und Fonds, die beispielsweise auch zum Auswildern bedrohter Papageien dienen sollen, würde ich gerne manchmal wirklich laut loslachen, wenn es nicht so todtraurig wäre. Man ruiniert den Lebensraum der Vögel oder fängt sie in Unmengen ein, bis sich die Zahl so drastisch reduziert hat, dass die Art nicht mehr in der Lage ist selbstständig in der Natur zu überleben, um dann neue Projekte in die Welt zu rufen, die das wieder richten sollen. Wie edel, hilfreich und gut doch die Spezies Mensch ist!

Nee, Leute, ich bin kein Schwarzseher, sondern immer noch Optimist, der versucht das Beste draus zu machen!

 
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