Berichte

Meine Amazonen aus Handaufzucht und Naturbrut
Forenbericht von Walter vom 28-06-2004

Ich züchte jetzt seit 5 Jahren mit einem handaufgezogenen Gelbscheitelamazonenpaar. Ich glaube bei Handaufzuchten wird oft nicht unterschieden, welche Probleme durch die Handaufzucht selbst und welche Probleme durch anschließende Haltungsfehler verursacht wurden. Ich bin zu der Überzeugung gekommen, daß mit der Handaufzucht allein noch nichts verloren ist, wenn die Vögel anschließend sofort wieder mit Artgenossen vergesellschaftet werden. In der Regel gibt es in diesem Fall keine Verhaltensprobleme, da diese Vögel alle arttypischen Verhaltensweisen noch erlernen können. Ich glaube sogar, daß die Zeit nachdem der Vogel futterfest wurde bis etwa zum Beginn der Geschlechtsreife weitaus prägender für den Vogel ist als die reine Handaufzucht.

Viele Probleme, die auf die Handaufzucht zurückgeführt werden sind in Wirklichkeit Haltungsfehler in der Zeit danach. Denn in der Regel folgt ja dem Fehler der Handaufzucht (ich betrachte jede unnötige Handaufzucht als Fehler) noch ein Haltungsfehler (also vor allem die Einzelhaltung und damit die Prägung auf den Menschen). Es ist im Grunde von akademischem Interesse, genau herausfinden zu wollen, welche Probleme wodurch verursacht werden. Besser ist auf alle Fälle, Probleme gar nicht erst aufkommen zu lassen. Einen gewissen Sinn machen solche Überlegungen aber dennoch, weil es ja eben doch immer wieder Notfall-Handaufzuchten gibt.

Als Bestätigung für diese Überzeugung kann ich hier die Erfahrungen mit meiner ersten Amazone anführen (Männchen), ein Wildfang den ich bis zum 7 Lebensjahr allein hielt und den ich etwa im Alter von 6 Monaten kaufte. Er hatte alle typischen Verhaltsfehler die man heute gerne den Handaufzuchten zuschreibt: also ein superzahmes Schmusetier mit ausschließlicher Prägung auf den Menschen, das mich nach der Geschlechtsreife als Partner betrachtete und füttern wollte. Es gelang übrigens dennoch den Vogel zu verpaaren und er wurde ein guter Vater, sehr zahm bleib er aber trotzdem. Genau diese Eigenschaften schätze ich auch bei meinem Handaufzucht-Brutpaar, allerdings machen meine selbst gezogenen Brutpaare aus Naturbruten auch während der Brutzeit ebenfalls keine größeren Probleme und zwar wohl deswegen weil sie mich von Kindesbeinen an kennen und mir daher voll vertrauen. Aus all dem kann man nur schließen: wenn die Haltungsbedingungen ab Futterfestigkeit gleich sind, sind die Verhaltensunterschiede von Handaufzucht und Naturbrut vergleichsweise gering. Auch die Erfahrungen mit meiner Gruppe von etwa 25 Gelbscheitelamazonen, in der Naturbruten und Handaufzuchten bunt gemischt sind, sprechen eindeutig für diese These.

Ich züchte nicht in erster Linie um Vögel abzugeben, sondern um sie zu beobachten, daher habe ich bis jetzt auch noch keine abgegeben. Da ich, obwohl ich immer wieder wegen meiner Vögel anbaue, natürlich auch irgendwann Platzprobleme bekommen werde, wird es sich nicht vermeiden lassen, eines Tages auch welche abzugeben. Meine Idee ist dabei, nur echte (gegengeschlechtliche) Paare abzugeben, die sich selbst gefunden haben. Dies zwingt allerdings dazu, sich im wesentlichem auf eine Art zu beschränken und hier einen relativ großen Bestand zu halten.

Meine eigenen Handaufzuchten erfolgten alle wegen Rupfens, die Vögel wurden also erst nach der 4. Lebenswoche aus dem Nistkasten genommen. Ich habe aber auch eine Handaufzucht ab Ei, sie ist jedoch zugekauft. Meine Handaufzuchten sind übrigens schon echte "Kletten", es kann schon sein, daß beim Putzen oder Füttern mehrere auf mir herumklettern, um mich von der Arbeit aufzuhalten. Verhaltensdefizite gegenüber Artgenossen sind damit aber nicht verbunden, außerdem zeigen auch die Naturbruten dieses Verhalten, allerdings längst nicht so ausgeprägt.

Ich habe inzwischen ja alle denkbaren Varianten von Nachzuchten, also Naturbruten und Handaufzuchten die sowohl von HZ- als auch NB-Brutpaaren abstammen. Ebenso Nachzuchten, bei denen die Fütterung (im Wohnzimmer!) teils durch die Elterntiere, teils per Löffel erfolgte (das geht wohl aber nur mit einem HZ-Brutpaar). Gerade diese Erfahrung hat mich zu der Überzeugung gebracht, daß über die Zwischenstation HZ-Brutpaar solche Handaufzuchten, die lediglich aus dem Grunde vorgenommen werden, zahme Vögel zu bekommen, völlig überflüssig werden. Für den Nachwuchs von HZ-Brutpaaren ist dies auch bei einer Naturbrut selbstverständlich.

Das gleiche gilt aber mit nur geringen Abstrichen für den Nachwuchs von zahmen NB-Brutpaaren. In beiden Fällen bekommt man also mit deutlich weniger Aufwand ein wesentlich besseres Ergebnis, allerdings ist das kein Rezept für Zuchtfabriken, denn die Vertrautheit zum Pfleger ist in beiden Fällen sehr wichtig. Ich glaube aber, daß es durchaus ein Rezept für eine Zucht in kleinem Maßstab beim Halter wäre, sozusagen das „Nebenprodukt“ eines harmonischen Verhältnisses zwischen dem Halter und seinem Brutpaar. Denn wenn schon Paarhaltung, dann doch bitte gleich artgleich und gegengeschlechtlich! Schließlich ist es immer noch die beste Abhilfe gegen Verhaltensprobleme während der Balzzeit wenn man die Vögel brüten lässt. Wer absolut keinen Nachwuchs will, kann das ja problemlos verhindern. Ich halte es aber nicht für richtig, hier den gewerblichen Massenzüchtern das Feld zu überlassen.

Index Berichte
www.Vogelkauf.de - Alles über Elternaufzucht, Handaufzucht, Wildfang von Vögeln